Mit der Unterstützung einiger Trainerkollegen soll hier eine kleine Literatursammlung für insbesondere deutschsprachige Bücher entstehen. Da jedoch noch nicht alle in unseren Augen sehr guten Bücher ins Deutsche übersetzt wurden, finden sich auch einige englischsprachigen Bücher darunter. Uns ist es nicht immer einfach gefallen, die Zielgruppe Schwimmer, Eltern, Trainer genau zu definieren. Der Übersichtlichkeit halber haben wir uns dennoch für eine Zuteilung entschieden. Es soll jedoch nicht heißen, dass nicht auch Trainer in der Literatur für Schwimmer fündig werden können usw.

Das jeweils oberste in jeder Kategorie ist das jeweils neueste dieser Sammlung.

Für Schwimmer

Unter der Oberfläche

Michael Phelps

Es ist schon eine ganze Weile her, seit ich dieses Buch gelesen habe. Es ist das erste von zwei autobiographischen Büchern von Michael Phelps. Das zweite (No Limits: The Will to Succeed) gibt es meines Wissens nach noch nicht auf Deutsch. Beide Bücher lohnen aber. Das erste zeichnet Phelps Weg bis Athen 2004, wo er mit insgesamt acht olympischen Medaillen die Bestmarke des russischen Kunstturners Alexander Ditjatin einstellte – eine Bestmarke, die Phelps selbst vier Jahre später in Peking als bisher einziger Athlet überbieten sollte. Das Buch erzählt jedoch nicht nur von den Sonnenseite seines Lebens, sondern widmet sich ganz explizit auch den Schattenseiten der ersten Jahre dieser einzigartigen Karriere – angefangen von seiner Angst als kleiner Junger vor dem Wasser, über erste Erfahrungen im Schwimmsport und Streits mit seinem Jugend- und später auch Olympiatrainer Bob Bowman, bis hin zur Trennung seiner Eltern und dem knappen Verpassen der Olympiaqualifikation seiner älteren Schwester. Ich kann dieses Buch daher uneinschränkt jedem Schwimmer weiterempfehlen, der gerade einen Tiefpunkt erlebt (ebenso wie diesen Artikel), Streit mit seiner Trainerin hatte, aber auch allen Sportlern (und Trainern), die eine realistische, ungeschönte Sicht auf unseren geliebten Sport haben möchten – vom größten Olympioniken aller Zeiten.

Überflieger: Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht

Malcolm Gladwell

Wer ein Buch zum Thema „Wie Einzelfälle der Weltgeschichte erfolgreich geworden sind“ sucht, das sich sehr leicht lesen lässt, der wird hier fündig. Es geht leider nur in wenigen Kapiteln um Sport und nur an manchen Stellen gibt es eine klar ersichtliche wissenschaftliche Untermauerung. Im Grunde gibt es laut Autor zwei Möglichkeiten, erfolgreich zu werden: Anstrengung und Vererbung – im besten Fall kommt beides zusammen. Für beide Kategorien sind jedoch die beiden folgenden Bücher deutlich tiefgreifender (Anstrengung: The Talent Code, Vererbung: The Sports Gene). Kleine Notiz am Rande: Viele von euch werden die sogenannte 10.000-Stunden-Regel kennen. Diese besagt, dass man 10.000 Stunden in einem x-beliebigen Bereich (Sport, Musik, Kunst, Kochen…) üben müsste, um darin ein Experte zu werden. Ursprünglich wurde diese Theorie von einer Forschergruppe um den schwedischen Psychologen Karl-Anders Ericsson (Ericsson, Krampe & Tesch-Römer, 1993) postuliert. So richtig als 10.000-Stunden-Regel populär geworden ist sie dann aber durch eben dieses Buch von Malcom Gladwell. Die Theorie passt zwar zur westlichen und insbesondere US-amerikanischen Auffassung von Fleiß und Erfolg, konnte für den Sportbereich jedoch nie empirisch nachgewiesen werden und gilt in der Wissenschaft daher schon länger als überholt (Issurin & Zuozienė, 2015; Lames & Werninger, 2011; siehe auch den interessanten Beitrag zur Widerlegung der Theorie Ericssons von Tucker, 2012).

Visions of Excellence: The Art of Achieving Your Dreams

Mark Tewksbury

Dieses Buch des kanadischen Rückenschwimmers Mark Tewksbury, war meine Einführung in die Visualisierung und mentale Bildsprache. Im Jahr vor den Olympischen Spielen 1992 reiste Tewksbury zum noch nicht fertig gebauten olympischen Schwimmbecken in Barcelona und lief das Becken auf und ab, blieb dort stehen, wo er die Blöcke vermutete, und stellte sich jeden Aspekt seines Rennens vor. Ein Jahr später wird er Gold im 100-Meter-Rückenrennen gewinnen und das Rennen wird exakt so verlaufen, wie er es sich zuvor unzählige Male vorgestellt hatte.

Für Trainer

Schwimmtechnik

Immer wieder erhalte ich von Seminar-Teilnehmer*innen die Frage nach guter Fachliteratur zur Schwimmtechnik. Das ist eine wirklich sehr gute Frage, weil es eigentlich kein Buch auf dem Markt gibt, das meinen eigenen Ansprüchen an Didaktik, Aktualität und Aufmachung (v.a. Qualität der Fotos/Grafiken) genügt. Dennoch hier einige aktuelle Tipps:

Gerade was die die Fotos anbelangt, gefällt mir besonders das Buch Kraul, Schmetterling, Rücken, Brust: Die Geheimnisse der Topschwimmer von Sheila Taormina. Sie hat da allerdings auch ein paar Dinge drinnen stehen, die nicht mehr up to date sind oder über die sich aus wissenschaftlicher Sicht blendend streiten lassen.

Hier eignet sich dann besser das Buch Schwimmen von Rüdiger Schneider. In mühevoller Kleinarbeit hat er seine Texte zu den einzelnen Schwimmtechniken allesamt wissenschaftlich belegt. Leider sind die Fotos nicht ganz so gut.

Wer vor englischsprachiger Literatur nicht zurückschreckt, kann sich mit dem Buch Primer for Swimming Coaches: Volume 2: Biomechanical Foundations von Ernest Maglischo das wohl umfangreichste zulegen oder das derzeit aktuelle Fundamentals of Fast Swimming: How to Improve Your Swim Technique von Gary Hall Sr., einem ehemaligen Weltrekordhalter und gleichzeitig studiertem Biomechniker. Einziger Knackpunkt bei beiden Büchern: Alles ist in schwarzweiß und die Abbildungen von schlechter Qualität. Bevor man sich Letzteres zulegt, deshalb noch ein Tipp: Die Inhalte aus dem Buch sind quasi ein Konglomerat aus Inhalten Garys Vereinseite: theraceclub.com. Dort stellt er und sein Team zahlreiche Videos und Texte zum Teil kostenfrei (siehe z.B. ein Video zur Kraulatmung), zum Teil kostenpflicht zur Verfügung. Bevor man sich also das Buch kauft und sich zwar über dessen Aktualität freut, aber über dessen Aufmachung ärgert, registriert man sich vielleicht lieber für derzeit 20$ im Monat für den Vollzugang zu allen Videos und Texten (sogenannte „Lane 3„), schaut sich sämtliche Videos an, speichert sich relevante Text ab und beendet anschließend die Mitgliedschaft wieder.

Trainingsplanung, -steuerung und Periodisierung

Für diesen Themenkomplex würde ich unterscheiden zwischen Literatur für Trainer:innen im Grundlagen- und Aufbautraining und solchen im Anschluss- und Hochleistungstraining. Leider finden sich gerade für die ersten beiden Ausbildungsetappen in meinen Augen kaum gute Bücher auf dem Markt. Eine der wenigen Ausnahmen ist das (oftmals vergriffene) Buch von Michael Brooks Developing Swimmers. Brooks gilt als ein sehr erfahrener und erfolgreicher US-amerikanischer Nachwuchstrainer, der sein Trainingskonzept in kurzen, knackigen Kapiteln zu Themenfeldern wie Talenterkennung, Technikentwicklung, Trainingsgesetaltung und Wettkampfvorbereitung vorstellt.

Für junge Trainer:innen, die gerade erst beginnen, gefällt mir auch die (ebenfalls vergriffene) 7-bändige Buchreihe von Iris Komar, die vielen wahrscheinlich von ihrer Tätigkeit auf dem Rabenberg bekannt sein sollte. Diese unter dem Begriff „Schwimmbibliothek“ laufende Reihe ist zwar schon etwas älter, aber die Grundkonzepte, wie man Training in diesem Altersbereich aufbaut und v.a. die starke Orientierung an der Technikentwicklung, halte ich für immer noch sehr gut geeignet, wenn man eine gewisse Grundstruktur in sein Training einführen möchte.

Trainiert man ältere Schwimmer:innen (ab Aufbautraining) und möchte tiefer eintauchen in die Welt der Periodisierung, so empfehle ich ganz klar das (ebenfalls vergriffene) Buch (man erkenne das Muster 😉 The Science of Winning von Jan Olbrecht. Diese wie auch die anderen vergriffenen Bücher gibt es aber immer mal wieder günstig bei Gebrauchtbuchläden. Das von Jan Olbrecht gibt es zudem als E-Book. Es würde an der Stelle zu weit führen, auf das Buch bzw. das Trainingskonzept dahinter einzugehen. Es sei aber so viel gesagt: Trainer:innen, die ihre Sportler:innen besonders gerne „an der Schwelle“ (BZ 3/4) trainieren lassen und es feiern, wenn sich deren Laktaktleistungskurve dadurch immer weiter nach rechts verschiebt, wird sich etwas verwundert die Augen reiben, wenn er in dem Buch davon erfährt, dass eine Rechtsverschiebung der Laktatleistungskurve nicht selten mit einer Verschlechterung der Leistungsfähigkeit der Sportler:innen einhergeht. Willkommen in Olbrechts‘ schöner (nicht ganz so) neuer Welt von aerobic und anaerobic Capacity und Power 😉

Auch hier (wie oben bei der Schwimmtechnik) bin ich bekennender Maglischo-Fan. Das ältere Buch von ihm, Swimming Fastest ist ein echter Wälzer – ich bezeichne es auch gerne als die „Schwimmbibel“, denn nach desse Lektüre weiß man eigentlich so gut wie alles über Schwimmtechnik, aber eben auch Trainingssteuerung, Periodisierung und vieles mehr. Das Buch stammt zwar aus 2003, ist aber trotzdem immer noch super umfangreich und vieles darin sicherlich auch noch nicht überholt. Damit das Buch nicht noch dicker (und schwerer) wird, entschied Maglischo sich dafür, die Schwimmtechnik (aka Biomechanik) und die Trainingssteuerung (aka Physiologie) in zwei Bücher aufzuteilen. Wer also zum Thema Trainingssteuerung die neuere Version lesen möchte, der greife zum Primer for Swimming Coaches: Volume 1: Physiological Foundations.

Das einzige deutschsprachige Buch, das mir in diesem Kontext gefällt, ist Band 3 von Wege zum Topschwimmer. von Örjan Madsen, Klaus Reischle, Klaus Rudolph und Kurt Wilke. Wer die englische Sprache aber nicht scheut, wird in meinen Augen von oben genannten Büchern vollumfänglich informiert.

Erfolg braucht kein Talent: Der Schlüssel zu Höchstleistungen in jedem Bereich

Daniel Coyle

In diesem Buch geht es darum, wie Talente in verschiedenen Bereichen (v.a. im Sport) an unterschiedlichen „Hot Spots“ in der Welt entwickelt werden. Der Autor reist hierfür an diese Orte, spricht mit Experten aus Praxis und Forschung und leitet von seinen Entdeckungen allgemein Ableitungen ab. Zum Teil werden diese Aspekte wissenschaftlich untermauert (z.B., wie der Mensch auf neuronaler Ebene lernt), zum Teil bleiben sie auf anekdotischer Ebene. Das Fazit seiner Reise: Man muss das „Feuer“ beim Talent entfachen, dann benötigt es „schlaues Coachen“ und vor allem sogenanntes „deep practice“, also sinnvolles, zielgerichtetes Trainieren (und eben nicht, wie Gladwell behauptet: 10.000 Stunden).

Die Siegergene: Talent, Übung und die Wahrheit über außergewöhnlichen Erfolg

David Epstein

Warum sind Jamaikaner so gut im Sprinten und die Kenianer so gut im Ausdauerlauf? Und gibt es eine Art vererbte „Trainierbarkeit“? In diesem Buch wird genau jenen Fragen nachgegangen und geklärt, wie viel der sportlichen Leistungsfähigkeit eigentlich vererbt ist. Ergebnis: Eine ganze, zum Teil erschreckend große Menge! Dieses Buch hat mich fasziniert – insbesondere deshalb, weil der Autor zwar Einzelfälle beleuchtet, aber mit sehr stark wissenschaftlichem Fokus an die Sache ran geht. Mein absoluter Favorit in dieser kleinen Buchauswahl!

Für Eltern

Champions are raised, not born

Summer Sanders

Die Autorin, Summer Sanders, ist 4-fache Olympiamedaillengewinnerin und beschreibt in diese Autobiographie ihren Weg vom wasserbesessenen Kleinkind zum Olympiasieger bis hin zu ihrem unglücklichen Comeback. Für Schwimmer, besonders aber für Schwimm-Eltern gibt es in dieser Biografie reichlich Stoff zum Schmunzeln und Nachdenken. Die Anekdote, die mir am meisten hängen geblieben ist, handelte davon, wie Sanders so nervös war, dass sie sich bei einem großen internationalen Wettkampf auf der Startbrücke stehend buchstäblich in die Hosen gemacht hat – ein guter Hinweis an alle Schwimmer und Schwimmerinnen, dass selbst die Topleute ihre Nerven nicht immer im Griff haben.

Mein Kind schwimmt…: 100 Fragen von besorgten und interessierten Eltern

Klaus Rudolph

In meinen Augen ein „must-have“ für Trainer und Eltern von Kindern, die mit Leistungssport beginnen. Klaus Rudolph hat für dieses Buch die Fragen von hunderten Vereinen und deren Eltern gesammelt, kategorisiert und (in Teilen gemeinsam mit Pädagogen und Psychologen) in der ihm eigenen leichten und doch profunden Sprache beantwortet. Dass diese Antworten nicht nur Eltern helfen besser zu verstehen, was das eigene Kind da warum tut, sondern auch Begründungshilfen für Trainerinnen und Trainer bietet, zeigt folgende Beispielfrage: „Warum muss unser Kind in ein Trainingslager fahren? Es kann doch auch zu Hause trainieren und es wird nicht so teuer.“ Als Fan von Klaus Rudolph‘ Schreibstil und interessierter Trainer, habe ich das Buch mit dem größten Vergnügen gelesen und es hat mich insbesondere in meiner Anfangszeit als Nachwuchstrainer sehr dabei unterstützt, auf so manche Elternaussage wertschätzend und doch zielorientiert reagieren zu können.

Und wer nun noch immer nicht genug hat und vor englischer Literatur nicht scheut, kann sich noch hier einige Büchertipps holen: https://www.swimmingforparents.com/books/

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